Linken-Kandidat Bartsch für Nato und Europäische Armee

Eine Welt ohne Armee sei „eine wunderbare Utopie“, sagte der Spitzenkandidat der Linkspartei Dietmar Bartsch am Sonntag im Sommerinterview der ARD. Eine Utopie, die für ihn und seine Partei allerdings nur als Fiktion existiert. Bartsch machte denn auch unmissverständlich klar, dass Die Linke trotz verbaler Friedensbekenntnisse Auslandseinsätze der Bundeswehr, den Aufbau einer Europäischen Armee und die Nato unterstützt.

Dietmar Bartsch im ARD-Sommerinterview (Screenshot)

Von Moderator Matthias Deiß darauf angesprochen, dass seine Partei in ihrem Wahlprogramm den Abzug der Bundeswehr „aus allen Auslandseinsätzen“ fordere, antwortete Bartsch: „Wissen Sie, in der Linken habe ich noch nie jemanden gehört, der zum Beispiel sagt: Die Blauhelme aus Zypern sollen abgezogen werden.“ Zum derzeit gefährlichsten Bundeswehreinsatz in Mali sagte er: „Ich möchte, dass Mali nicht genauso endet wie Afghanistan, ein kopfloses Hinausrennen.“

Bartschs Bemühen, zwischen (abzulehnenden) Kampfeinsätzen und (unterstützenswerten) Blauhelm- oder Friedenseinsätzen zu unterscheiden, kennt man bereits von den Grünen. Als sich die Öko-Partei noch zum Pazifismus bekannte, diskutierte sie endlos über die Frage, unter welcher Helmfarbe militärische Auslandseinsätze zulässig seien – nur unter der blauen der UNO oder auch unter der grünen der Bundeswehr und der Nato.

Kaum hatten die Grünen 1998 dem ersten Kampfeinsatz der Bundeswehr in Jugoslawien zugestimmt, löste sich diese Spitzfindigkeit in Luft auf. Inzwischen zählen die Grünen zu den vehementesten Befürwortern des deutschen Militarismus. Denn der Charakter eines Krieges wird nicht durch die Helmfarbe der Soldaten, sondern durch die imperialistischen Interessen der kriegsführenden Mächte bestimmt. Ein „Friedenseinsatz“ verwandelt sich unter der Hand in einen Kampfeinsatz, sobald die Menschen, die „befriedet“ werden sollen, sich den Invasionstruppen widersetzen.

Bartsch gab sich zwar Mühe, seinen Militarismus nicht allzu offensichtlich zur Schau zu stellen. Es sei gut, bemerkte er, dass es im deutschen Bundestag mit der Linken eine Partei gebe, die der in der deutschen Bevölkerung relevanten Auffassung Ausdruck verleihe, „dass wir Auslandseinsätze der Bundeswehr, insbesondere die Kampfeinsätze, aus vielen Gründen nicht unterstützen sollten“.

Damit sagte er mehr, als ihm lieb war. Denn die Linkspartei verfolgt das Ziel, die weit verbreitete Opposition gegen Militarismus und Krieg in harmlose parlamentarische Kanäle zu lenken, während sie in der Praxis die militärische Aufrüstung unterstützt.

Im gesamten Interview ließ Bartsch keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit aufkommen, eine Regierungskoalition mit den Kriegsparteien SPD und Grüne zu bilden, die in den vergangenen Jahren die massive Steigerung der Rüstungsausgaben und zahlreiche Kriegseinsätze mitverantwortet haben. „Wir brauchen dringend einen Politikwechsel“, betonte er. Die Linke sei „regierungsfähig“. Sie sei die einzige Partei, „die in großer Klarheit sagt, wir werden nicht mit Armin Laschet und der Union koalieren“.

Allen Versuchen des Moderators, ihn auf konkrete antimilitaristische Aussagen festzulegen, die ein Bündnis mit SPD und Grünen beeinträchtigen könnten, wich Bartsch aus. Dabei machte er deutlich, dass Die Linke hinter der Bundeswehr, der Nato und einer Europäischen Armee steht.

„Wollen sie die Bundeswehr abschaffen oder nicht?“ – „Eine Welt ohne Armeen ist natürlich ein Traum… Wir sagen in unserem Wahlprogramm, dass wir den Verteidigungsetat deutlich reduzieren wollen… Man muss darüber nachdenken, ob riesige Rüstungsprojekte notwendig sind.“

„Brauchen wir eine Europäische Armee?“ – „Das ist nicht mit Ja oder Nein zu beantworten. Unser Ziel ist ja, möglichst wenig Armee zu haben. Aber Fakt ist, dass wir im Zuge der gesamten europäischen Einigung auch diese Frage behandeln müssen.“

„Wollen sie die Nato auflösen?“ – „Wir müssen darüber reden, wie eine neue Sicherheitsstruktur aussieht. Da ist die Nato ein Element.“

Auch bei allen anderen Fragen, die ihm gestellt wurden, präsentierte sich Bartsch als verantwortlicher bürgerlicher Politiker, der bereit ist, die rechte und arbeiterfeindliche Politik der Großen Koalition unter einem sozialdemokratischen Kanzler oder einer grünen Kanzlerin fortzusetzen. Eine Regierungsbeteiligung unter einem Unionskanzler schloß er nur deshalb aus, weil die Union selbst dies kategorisch ablehnt. In Thüringen, dem einzigen Land, in dem Die Linke Mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten stellt, lässt sich dieser aber bereits jetzt von der CDU tolerieren.

In der Finanzpolitik brüstete sich Bartsch, dass das linke Konzept als einziges für einen Haushaltsüberschuss sorge. „Wenn man die FDP nimmt, da gibt es ein Defizit von fast 90 Milliarden. Bei uns wird es ein Plus geben.“

Er will dies durch eine Vermögensabgabe und die Erhöhung des Spitzensteuersatzes für Reiche bei einer geringen Entlastung mittlerer Einkommen erreichen. Doch das ist Augenwischerei. Spätestens seit die Linke und ihre Vorgängerin PDS von 2002 bis 2011 gemeinsam mit der SPD Berlin regierten, weiß man, wie sie Haushaltsdefizite ausgleicht: Sie verkaufte hunderttausende öffentliche Wohnungen, entließ tausende öffentliche Bedienstete, senkte die Löhne, sparte die öffentliche Infrastruktur kaputt und rettete gleichzeitig die Berliner Bankgesellschaft mit mehreren Milliarden Euro.

Ausdrücklich lobte Bartsch Sahra Wagenknecht, die im Frühjahr eine üble nationalistische Hetzschrift veröffentlicht hat, die dank einem Medien-Hype zum Bestseller avanciert ist. „Sahra Wagenknecht und die gesamte Führung der Linken gehen gemeinsam in diesen Wahlkampf,“ sagte er. „Eines ist klar: Sie ist ein Teil der Mannschaft, die jetzt antritt.“

In einem Gastbeitrag „Die Unionspläne sind ein Schlag ins Gesicht der Leistungsträger“, den Bartsch und Wagenknecht gemeinsam auf T-Online veröffentlichten, werben die beiden für eine große Steuerreform, die der Mittelschicht zugutekommt und den „Traum vom eigenen Häuschen“ wieder erfüllbar machen soll.

Die PDS, die Vorgängerin der Linkspartei, war 1990 aus der stalinistischen Staatspartei der DDR hervorgegangen. Sie unterstützte die Vereinigung Deutschlands auf kapitalistischer Grundlage und etablierte sich als Sprachrohr jener Vertreter der alten DDR-Eliten, die Mühe hatten, im vereinten Deutschland ihre Karriere fortzusetzen. Daher ihr „Sozialismus“. Mit linker oder wirklich sozialistischer Politik hatte sie nie etwas zu tun.

Der 1958 geborene Bartsch war bereits 1977 während seines Wehrdiensts in die SED eingetreten. Er machte Karriere bei den Parteizeitungen Junge Welt und Neues Deutschland und studierte vier Jahre lang in Moskau an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee der KPdSU, wo er 1990 mit einer Arbeit über die „Verteilungsverhältnisse unter den Bedingungen einer Intensivierung der sozialistischen Wirtschaft“ zum Dr. rer. oec. promovierte. Danach absolvierte er eine steile Karriere in der Führung der PDS, wo er bald als Exponent des rechten Flügels galt. Seit 1998 sitzt er (mit drei Jahren Unterbrechung) im Bundestag, seit 2015 als Fraktionsvorsitzender.

Bartschs Interview unterstreicht erneut, dass Die Linke keine Alternative zu den anderen bürgerlichen Parteien darstellt und sich politisch nur in Nuancen von ihnen unterscheidet. Wer für eine sozialistische Politik gegen soziale Ungleichheit, Militarismus und den Aufstieg der Rechten kämpfen will, muss den Wahlkampf der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) unterstützen und die deutsche Sektion der Vierten Internationale als neue Partei der Arbeiterklasse aufbauen.

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