Die Linkspartei auf Kriegskurs

Die Linke wird als Mitglied einer möglichen rot-rot-grünen Regierungskoalition im Bund die deutschen Kriegseinsätze voll unterstützen und die Aufrüstung der Bundeswehr weiter vorantreiben. Wer daran zweifelt, sollte das Papier „Linke Sicherheitspolitik“ von Matthias Höhn lesen. Höhn war von 2012 bis 2017 Bundesgeschäftsführer der Linkspartei und ist heute sicherheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion.

Matthias Höhn (Bild: Martin Rulsch, CC BY-SA 4.0)

Das am 19. Januar lancierte Papier unterscheidet sich kaum von den Strategie- und Aufrüstungspapieren, die in den außenpolitischen Thinktanks oder vom Verteidigungsministerium produziert werden, und unterstützt in allen wesentlichen Punkten den militaristischen Kurs der Großen Koalition. Höhn verteidigt die Nato, fordert die massive Aufrüstung der Bundeswehr sowie den Aufbau einer europäischen Armee und plädiert für mehr „humanitäre“ Einsätze unter deutscher Führung.

Das Papier beginnt mit der Feststellung, dass sich die Welt „geopolitisch neu“ sortiere und deshalb auch die Linkspartei die Interessen des deutschen Imperialismus umso aggressiver vertreten müsse. Die Linke dürfe nicht länger „in spiegelbildlichen Reflexen reagieren oder gar Narrative anderer Staaten einfach übernehmen“, schreibt Höhn. „Die Vereinigten Staaten, Russland oder China: letztlich geht es auf allen Seiten um geopolitische Einflusssphären und wirtschaftliche Interessen und letztlich sind alle bereit, für den eigenen Vorteil internationale Regeln zu brechen.“ Dies sei „für linke Politik niemals akzeptabel“.

Höhns Argumentation entspricht der offiziellen Linie der deutschen Außenpolitik. Unter Bedingungen wachsender Konflikte zwischen den Großmächten, die durch die Corona-Pandemie weiter verschärft werden, müssten Deutschland und Europa eine unabhängige Außen- und Großmachtpolitik entwickeln, um die eigenen wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen stärker gegen Russland und China – aber vor allem auch gegen die USA – durchzusetzen. „Die EU muss sich als politischer Akteur mit eigenständigen Interessen, Zielen und Werten verstehen und auch als solcher agieren. Dies kann und wird immer wieder zu Interessenkonflikten, auch mit den Vereinigten Staaten, führen.“

Dann plädiert Höhn dafür, die Linkspartei explizit als militaristische Partei aufzustellen. Die pazifistischen Floskeln müssten mit einer wirklichen Agenda für Aufrüstung und Krieg versehen werden. „Für die Linke folgt daraus die Aufgabe, sich ernsthaft über Ziele und Mittel einer europäischen Sicherheitspolitik zu verständigen“, erklärt er. „Der alleinige Appell zu Frieden und Abrüstung macht die EU noch lange nicht sicherheitspolitisch handlungsfähig. Die Menschen erwarten mehr.“

Höhns konkrete Vorschläge entsprechen natürlich nicht der Erwartungshaltung der Menschen, die Militarismus und Krieg nach zwei katastrophalen Weltkriegen im 20. Jahrhundert ablehnen, sondern den Forderungen der aggressivsten Teile des deutschen und europäischen Kapitals. Hier eine Zusammenstellung von Höhns wichtigsten Forderungen:

Wie führende Vertreter von SPD und Grünen plädiert Höhn für die Umwandlung der EU in eine Militärunion mit einer eigenen Armee. „Die bisher fast ausschließlich nationale Hoheit in Militär- und Rüstungsfragen“ könne „keine dauerhafte linke Antwort sein“, schreibt Höhn. „Der Ruf nach einer größeren strategischen Unabhängigkeit der EU von den Vereinigten Staaten“ mache „eine tiefere Verständigung innerhalb der EU über sicherheitspolitische Aspekte unumgänglich“. Dazu gehörten „in letzter Konsequenz auch die Abgabe der alleinigen nationalen Hoheit über das Militär und der Ersatz zumindest relevanter Teile der nationalen Armeen durch gemeinsame europäische Streitkräfte“.

Das Linkspartei-Papier übernimmt die offizielle Propaganda von der maroden und heruntergewirtschafteten Bundeswehr, um die größte Aufrüstungsoffensive seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu unterstützen. Höhn schreibt: „Der verteidigungspolitische Sparkurs der 1990er habe die Bundeswehr materiell ausgeblutet, heißt es, viele Systeme seien völlig überholt. Die schlechte Einsatzbereitschaft vieler Hauptwaffensysteme ist seit Jahren in aller Munde. Nichts fährt, nichts fliegt. Das ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen. In der Tat erreichen viele dieser Systeme ihr drittes oder gar viertes Jahrzehnt.“

Zynisch schlägt Höhn vor keine „Aufrüstungs-“, sondern eine „Ausrüstungsdebatte“ zu führen. Die umfassenden Rüstungsprojekte der Bundeswehr müsse seine Partei dann in Zukunft noch offener unterstützen. „Solange die Linke keine kurzfristige Auflösung der Bundeswehr fordert, sondern richtigerweise auf eine Neudefinition ihrer Aufgabe orientiert, ... muss sie auch in der Lage sein zu definieren, welche Mittel sie dafür aufwenden will“, so Höhn. In den zurückliegenden Legislaturperioden habe „die Linksfraktion nahezu keiner Beschaffung für die Bundeswehr, von der persönlichen Ausrüstung bis zum Kampfflugzeug, zugestimmt“. Diese „pauschale Ablehnung“ sei „kein sicherheitspolitisches Konzept“.

Im Abschnitt „Zwei Prozent in Sicherheit investieren“ stellt sich Höhn hinter das Zwei-Prozent-Ziel der Nato, auf das sich die Bundesregierung erstmals auf dem Nato-Gipfel 2014 in Wales verpflichtet hatte und das die Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf jährlich mehr als 90 Milliarden Euro bedeutet. Es gebe „gute Gründe einen Mindestbeitrag zu fordern, den Gesellschaften bereit sind, gemeinschaftlich in internationale Sicherheit zu investieren“, argumentiert Höhn.

Auch hier schlägt der Linkspartei-Mann lediglich vor, die Ausgaben etwas umzuetikettieren. „Wer Sicherheit ganzheitlich begreift und in militärischer Stärke nicht den alleinigen Garant für Stabilität sieht“, müsse „eine solche Zielmarke anders ausfüllen“. Während die „jetzige Bundeswehrplanung davon“ ausgehe, „personell, materiell und finanziell das 2-Prozent-Ziel bis ca. 2030 zu erreichen, sollten stattdessen bis 2030 diese Haushaltsvolumen für eine gleichgewichtige Veranschlagung von internationaler Zusammenarbeit und Strukturen einerseits und Verteidigungshaushalt andererseits eingeplant werden, also in einem 1-plus-1-Prozent-Ziel“.

Der Vorschlag hat nichts mit Pazifismus zu tun, sondern zielt ganz im Gegenteil darauf ab, die deutschen Auslandseinsätze zu stärken und auszuweiten. Im letzten Abschnitt des Papiers mit der Überschrift „Gewaltmonopol der Vereinten Nationen durchsetzen“ beklagt Höhn, dass die Vereinten Nationen „in den vergangenen Jahren als Akteur der Konfliktprävention bzw. wo nötig der Konfliktbearbeitung deutlich geschwächt worden“ seien. Er teile die Forderung nach einem „stärkeren Engagement Deutschlands in UN-Friedensmissionen“ und den „Aufruf an Deutschland, angesichts der Zahlungsausfälle durch die Vereinigten Staaten bei der Finanzierung der Friedensmissionen für eine größere finanzielle Unabhängigkeit dieser Missionen Sorge zu tragen“.

Das ist unmissverständlich. Eine Bundesregierung unter Beteiligung der Linkspartei würde nicht weniger Auslandseinsätze der Bundeswehr bedeuten, sondern mehr. Bereits der erste deutsche Kriegseinsatz seit dem Zweiten Weltkrieg im Kosovo wurde von der damaligen rot-grünen Bundesregierung als „Friedensmission“ verkauft. Das gleiche gilt für den aktuellen Kriegseinsatz in Mali und die Operationen der Bundeswehr im Nahen Osten und Zentralasien. Auch „Konfliktprävention“ und „Konfliktbearbeitung“ sind bekannte Euphemismen für die militärisch-zivile Intervention und Besetzung geostrategisch wichtiger und rohstoffreicher Länder.

Dass der sicherheitspolitische Sprecher der Linken wenige Wochen vor dem Parteitag Ende Februar ein derartiges Kriegspapier vorlegt, ist keine Überraschung. Die Linkspartei hat die Rückkehr des deutschen Militarismus von Anfang an unterstützt und war 2013 mit ihrem früheren außenpolitischen Sprecher Stephan Liebich an der Ausarbeitung des berüchtigten SWP-Papiers „Neue Macht – neue Verantwortung“ beteiligt. Das Dokument bildete die Blaupause für die aggressiven Großmachtreden des damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck und seines sozialdemokratischen Nachfolgers Frank-Walter Steinmeier auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014.

Seitdem hat Die Linke den aggressiven außenpolitischen Kurs der Bundesregierung – darunter den rechten Putsch in der Ukraine und die imperialistischen Interventionen in Syrien und im Irak – immer offener unterstützt. In den letzten Monaten hatten sich auch der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch und der amtierende außenpolitische Sprecher Gregor Gysi wiederholt öffentlich hinter die Nato und die Auslandseinsätze der Bundeswehr gestellt.

Mit dem jüngsten Papier agiert Die Linke als direktes Sprachrohr des deutschen Militarismus. Im Nachtrag seiner Ausführungen gibt Höhn zu Protokoll, dass seine Forderungen nicht nur „durch viele Gespräche… mit Genossinnen und Genossen unserer Partei“ motiviert seien, sondern auch „mit Angehörigen der Bundeswehr“.

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