Klinikschließungen trotz Corona-Pandemie

Ungeachtet der Corona-Pandemie geht der Kahlschlag im deutschen Gesundheitswesen unvermindert weiter. Gleichzeitig stehen viele Krankenhäuser kurz vor dem Kollaps. Immer mehr Kliniken sind vollständig ausgelastet, das ärztliche und pflegerische Personal ist am Limit und infiziert sich selbst mit dem Virus. Teilweise verbreitet sich das Virus aus den Kliniken heraus in der Region. Allein am Wochenende wurden erneut zahlreiche Fälle bekannt.

In Herne kam es zu einem Ausbruch im St. Anna Hospital. Wie offizielle Stellen bestätigten, wurden bisher 40 Mitarbeiter positiv getestet. Aufgrund der hohen Zahl von Infektionen lassen sich die Übertragungsketten nicht mehr nachvollziehen. Die Klinik stellte den Betrieb bis auf Notfälle und Geburten ein, sämtliche geplanten Operationen wurden verschoben.

In den Sana-Kliniken in Lübeck wurden bis Samstag nach Unternehmensangaben 79 Mitarbeiter positiv auf das Virus getestet. Auf zwei Covid-Stationen werden dort 41 Patienten betreut, zwei weitere befinden sich in intensivmedizinischer Behandlung.

Im Rotkreuz-Krankenhaus in Bremen gibt es wegen eines Corona-Ausbruchs einen Aufnahme- und Entlassungs-Stopp. 13 Patienten und 24 Beschäftigte wurden positiv auf Covid-19 getestet, wie eine Sprecherin der Klinik erklärte.

Im Helios Klinikum im niedersächsischen Nienburg wurden bisher 40 Beschäftigte und Patienten positiv getestet. „50 bis 60 Prozent des Infektionsgeschehens spielen sich im Moment bei Helios und in den Pflegeheimen ab,“ erklärte dazu Landkreissprecher Cord Steinbrecher im NDR.

In der Deister-Süntel-Klinik in Bad Münder wurden zuletzt 21 der insgesamt 140 Mitarbeiter sowie 13 Patienten positiv auf Covid-19 getestet. Die gestiegenen Infektionszahlen im Landkreis seien unter anderem auf den Ausbruch in der Klinik zurückzuführen, sagte eine Behördensprecherin in Hameln.

Die Situation könnte sich noch weiter dramatisch verschärfen, da mittlerweile immer häufiger Virus-Mutationen entdeckt werden. Diese sind bisherigen Erkenntnissen zufolge deutlich ansteckender als die bisherige Variante.

Das Vivantes Humboldt-Klinikum in Berlin steht unter Quarantäne (Anzeige auf der Klinik-eigenen Website)

So wurde am Freitag das Humboldt-Klinikum in Berlin-Reinickendorf auf Anordnung des Gesundheitsamtes unter Quarantäne gestellt, um eine Ausbreitung der Mutante B.1.1.7 zu verhindern. Bis zum Samstag bestätigten Routinetests auf den Stationen für Innere Medizin und Kardiologie 14 Fälle bei Patienten und sechs bei Beschäftigten. Das Gesundheitsamt Berlin-Reinickendorf rechnet mit weiteren Fällen im Verlauf weiterer Tests.

Wie der Tagesspiegel berichtet, sind vermutlich auch Angehörige des Klinikpersonals betroffen. Der Reinickendorfer Amtsarzt Patrick Larscheid erklärte, dass der Ausbruch an dem Krankenhaus „ein Ausmaß angenommen hat, das wir im Moment schlecht überblicken können“.

Laut dem Nachrichtenmagazin Focus wurde bereits am 14. Januar der erste Fall im Humboldt-Klinikum offiziell bestätigt. Seit Freitag wurde nun ein Aufnahmestopp verhängt, daher werden bis auf Weiteres keine Notfälle aufgenommen. Die Beschäftigten müssen trotz der Gefahr der Verbreitung weiterarbeiten und befinden sich lediglich in einer „Pendel-Quarantäne“ zwischen Wohnung und Klinik.

Während die Pandemie, die seit einem Jahr tobt, dringend einen Ausbau der Gesundheitsversorgung erfordert, findet das genaue Gegenteil statt. Im letzten Jahr wurden deutschlandweit 21 Kliniken vollständig geschlossen. In Dutzenden weiteren Häusern wurden Abteilungen stillgelegt, die nicht profitabel genug waren. So ist mittlerweile in der Geburtshilfe eine flächendeckende Versorgung in einigen Regionen nicht mehr sichergestellt. Bislang sind 30 weitere Kliniken bekannt, deren Schließung geplant ist oder droht.

Experten gehen davon aus, dass es noch zu weit mehr Schließungen kommen könnte, da gerade kleineren Krankenhäusern Einnahmen unter der Pandemie wegbrechen. Ende letzten Jahres berichtete das „Krankenhaus Barometer 2020“ des DKI, die wirtschaftliche Lage der deutschen Krankenhäuser sei dramatisch. Bereits 2019 hatte fast jede zweite Klinik (44 Prozent) rote Zahlen geschrieben. Nun erwarten weniger als ein Drittel der Häuser für 2020 ein positives Jahresergebnis.

Die zerstörerische Politik, die Profite über Gesundheit und Leben stellt, ist nicht neu. Während es 1991 in ganz Deutschland noch über 2400 Krankenhäuser gab, sank die Zahl bis 2020 auf rund 1400. Selbst in der gegenwärtigen Krise werden Wirtschaftsvertreter nicht müde, die weitere Zerschlagung des Gesundheitssystems zu fordern, um die Profite einer schmalen Schicht sprudeln zu lassen.

2019 forderte eine Studie der Bertelsmann-Stiftung die Reduzierung der Kliniken auf 600. Unterstützung erhielt dieser Vorschlag aus allen Parteien, allen voran von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach (SPD). Im letzten Herbst, als die Pandemie erneut an Fahrt aufnahm, legte die Bertelsmann-Stiftung gemeinsam mit dem Barmer Institut für Gesundheitsforschung und der Robert-Bosch-Stiftung nach. Sie erkannten die Pandemie als Chance, ihre Pläne voranzutreiben, wenn Kliniken dadurch in eine finanzielle Schieflage geraten.

Dabei wurde auch deutlich, dass es den Vertretern aus Wirtschaft und Politik nicht nur um die Schließung von Kliniken geht, sondern um die komplette „Neuordnung“ der Krankenhauslandschaft, wie sie das Projekt betitelten. Neben der Schließung von Krankenhäusern soll auch deren Privatisierung weiter vorangetrieben werden.

Laut dem „Transaktionsmonitor Gesundheitswesen“ der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) gingen 2019 und im ersten Quartal 2020 etwa die Hälfte der verkauften Kliniken an Finanzinvestoren, die ausschließlich an der Steigerung des Profits interessiert sind. Oft wandeln sie die Kliniken in medizinische Versorgungszentren oder in Rehakliniken um, die mehr Gewinn abwerfen als die stationärer Behandlung in Krankenhäusern.

Bislang sind rund 40 Prozent der Kliniken in privaten Händen. Damit hat sich ihr Anteil in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt. In Deutschland gehören neben Helios und Sana mittlerweile auch die Asklepios-Kliniken zu den größten privaten Betreibern. Der Konzern erklärt in seinem diesjährigen Zwischenbericht, das Jahr 2020 gehöre „zu den erfolgreichsten in der Geschichte von Asklepios“.

Politiker aller Couleur treiben die Privatisierungen im Klinikbereich auch in der Pandemie weiter voran. Im brandenburgischen Landkreis Oberspreewald-Lausitz hat der Kreistag beschlossen, trotz Kritik und Protesten von Beschäftigten das Klinikum Niederlausitz mehrheitlich an die Sana-Kliniken zu veräußern. Auch hier war die Klinik in den letzten Jahren in die roten Zahlen gerutscht, was nun als Begründung für die Privatisierung genutzt wird.

Die Privatisierung und Schließung von Kliniken sowie ihre Verwandlung in Pandemie-Hotspots sind die Folge einer Politik, die Profite höher stellt als Menschenleben. Die Bundes- und Landesregierungen sind nicht gewillt, eine adäquate Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitseinrichtungen und dem entsprechenden Personal zu gewährleisten.

Die Privatisierungen und alle Kürzungen im Gesundheitsbereich, deren Folgen jetzt sichtbar werden, müssen rückgängig gemacht werden. Die Kliniken und anderen Gesundheitseinrichtungen müssen in öffentliches Eigentum umgewandelt und von den Belegschaften demokratisch kontrolliert werden.

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