In den vergangenen Tagen haben sich in Deutschland täglich weit über 11.000 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Am Samstag meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) gestützt auf die Gesundheitsämter 14.714 Neuinfektionen. An den beiden Tagen zuvor hatte es jeweils deutlich über 11.200 neue Coronafälle gegeben. Am Sonntag kamen dann erneut mindestens 11.176 Fälle hinzu, gefolgt von 8.685 am gestrigen Montag. Aufgrund des reduzierten Wochenendbetriebs der Gesundheitsämter dürften die wirklichen Neuinfektionen in den vergangenen beiden Tagen jedoch deutlich höher sein.
Insgesamt sind die Neuinfektionszahlen damit durchschnittlich doppelt so hoch wie Ende März und Anfang April (zwischen 5000 und 7000 am Tag), als die Pandemie in Deutschland ihren ersten Höhepunkt erreichte. Das Covid-19-Forschungsteam der US-amerikanischen Johns-Hopkins-Universität, das neben behördlichen Daten auch lokale Medienberichte auswertet, nennt Zahlen, die teilweise sogar drei Mal so hoch (22.236 am Freitag) wie die ersten Höchststände liegen.
Die verfügbaren Daten zeigen, dass die Öffnungspolitik von Bundes- und Landesregierungen und die damit einhergehende systematische Durchseuchung der Bevölkerung das Leben und die Gesundheit von Hunderttausenden bedroht. Sie wird innerhalb weniger Tage und Wochen in eine Katastrophe münden, wenn das Ruder nicht durch die umfassende Schließung von Schulen und Wirtschaft herumgerissen wird.
Bereits am Sonntag stellte das RKI in seinem Lagebericht fest, dass mittlerweile 71 Stadt- bzw. Landkreise eine Inzidenz von mehr als 100 Fällen pro 100.000 Einwohner aufweisen und demzufolge potentielle Hotspot-Gebiete sind. Den Anteil der Infizierten, die seit Beginn der Pandemie verstorbenen sind, beziffert das RKI in Deutschland auf insgesamt 2,3 Prozent.
Die derzeitige, vergleichsweise „niedrige“ empirische Todesrate von einem Prozent, so das Institut, droht in den kommenden Tagen stark anzusteigen. Dazu heißt es in dem Lagebericht: „Aktuell nehmen jedoch die Erkrankungen unter älteren Menschen wieder zu. Da diese häufiger einen schweren Verlauf durch COVID-19 aufweisen, steigt ebenso die Anzahl an schweren Fällen und Todesfällen.“ Das Institut ruft dazu auf, die „Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus“ zu verhindern.
Wie der Spiegel vergangene Woche berichtete, wird das Infektionsgeschehen in Deutschland von den publizierten Zahlen des RKI systematisch unterschätzt: „Die wichtigste Zahl der Pandemie – die Neuinfektionen der vergangenen sieben Tage – gibt das RKI in vielen Fällen falsch an“, so das Nachrichtenmagazin. Im betrachteten Zeitraum seien mindestens 30 Prozent dieser Ziffern „unvollständig“ und daher „fehlerhaft“, da „die Daten von mindestens einem Tag komplett“ fehlten. Die Differenz beträgt je nach Bundesland bis zu 25 Prozent – ein Effekt, der sich aufgrund der exponentiellen Ausbreitung des Coronavirus noch potenzieren kann.
Mit der Explosion der Neuinfektionen steigt auch die Zahl der Covid-19-Patienten, die in Deutschland auf Intensivstationen eingeliefert werden. Wie die Tagesschau berichtet, hat sich die Zahl der Corona-Patienten dort innerhalb einer Woche von 690 auf 1121 nahezu verdoppelt. Vor zwei Wochen waren es noch 510, vor einem Monat 293 Patienten – ein charakteristischer Verlauf für eine exponentielle Entwicklung.
Von den 478 Corona-Patienten, die derzeit bundesweit beatmet werden müssen, wird statistisch gesehen mehr als jeder Zweite im Verlauf der Erkrankung sterben. Mittlerweile machen Covid-19-Erkrankte vier Prozent aller Intensivpatienten in Deutschland aus. Lediglich 26,4 Prozent der Intensivbetten sind noch unbelegt.
Gegenüber der Tagesschau erklärte Uwe Janssen, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), es werde im Winter einen „Engpass beim Pflegepersonal“ geben. Tatsächlich könnte dieser „Engpass“ sehr viel früher erreicht sein. So werden in Frankreich, das der Entwicklung in Deutschland stets um rund zwei Wochen voraus ist, derzeit täglich 2000 Covid-19-Patienten ins Krankenhaus eingeliefert.
Gesundheitsminister Olivier Véran gab auf Twitter an, dass durchschnittlich in jeder Minute ein Coronavirus-Patient hospitalisiert werde. Wie der Tagesspiegel unter Verweis auf eine Studie des französischen Berufsverbands der Krankenpfleger berichtet, stehen 57 Prozent der Pflegerinnen und Pfleger kurz vor einem „Burnout“, also einem Zustand völliger Erschöpfung. Vor der Pandemie hatte dieser Anteil bei 33 Prozent gelegen.
Anschlag auf das RKI
Ungeachtet dieser raschen Ausbreitung geraten die Mitarbeiter des Robert-Koch-Instituts und andere Wissenschaftler, die vor der Gefahr der Covid-19-Pandemie warnen, zunehmend ins Visier rechtsextremer Kräfte. Allein zwischen März und Juli empfing das RKI rund 200 E-Mails mit „Bedrohungen, Beleidigungen und Verleumdungen“, berichtet die Welt. Den Wissenschaftlern wurde unter anderem mit der Ermordung in einer „Gaskammer“ gedroht.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurde das RKI Ziel eines Brandanschlags. Wie die Polizei mitteilte, bewarfen Unbekannte ein Institutsgebäude in Tempelhof-Schöneberg mit mehreren Brandsätzen. Eine Flasche mit brennbarer Flüssigkeit durchschlug ein Fenster, sodass sich in dem Raum dahinter ein Feuer entwickelte. Einem Sicherheitsmitarbeiter, der die Täter beobachtete, gelang es, den Brand zu löschen.
Obwohl Vieles auf einen rechtsextremen Hintergrund der Attacke hindeutet, teilte der ermittelnde Staatsschutz des Landeskriminalamts Berlin mit, man ermittle „in alle Richtungen“. Eine „politische Motivation“ der Tat werde „geprüft“.
Der bedrohliche Anschlag auf das zentrale Seuchenschutzinstitut Deutschlands inmitten einer globalen Pandemie, die offiziell bereits über 1,1 Millionen Menschenleben gekostet hat, ist eine ernste Warnung. Ähnlich wie in den USA – wo rechtsextreme Milizen mit Verbindungen zu Präsident Donald Trumps Wahlkampfteam die Ermordung von Gouverneuren planen, die sich für Lockdown-Maßnahmen aussprechen – nehmen Gewaltdrohungen und Attacken gegen Politiker, Wissenschaftler und kritische Journalisten auch in Deutschland seit Monaten zu.
So veröffentlichte Benjamin Piel, Chefredakteur des Mindener Tageblatts, am Samstag auf Twitter ein Foto, auf dem eine „erhängte“ und „geblendete“ Schaufensterpuppe zu sehen ist. Sie trägt ein Schild mit der Aufschrift „Covid-Presse“ und wurde von Unbekannten an einer Brücke über der Weser aufgeknüpft.
Am selben Tag fand in Berlin erneut ein rechter Aufmarsch gegen öffentliche Gesundheitsverordnungen statt, an dem sich laut Polizeiangaben rund 2000 Personen unter Missachtung von Auflagen beteiligten. Obwohl Videos belegen, dass die Polizei die Demonstranten zunächst gewähren ließ und sie später sogar systematisch vor Gegenprotesten abschirmte, wurden laut Polizeiangaben 18 Beamte verletzt.
Der RBB-Journalist Olaf Sundermeyer berichtete mit Blick auf die Demonstrationen von „Morddrohungen gegen den Virologen und Regierungsberater Christian Drosten und den SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach“, sowie von Aufforderungen, dem an Covid-19 erkrankten Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) „unter seiner Privatadresse Hausbesuche abzustatten“.
Während es vor Schulen in Hessen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg zu bedrohlichen Kundgebungen kommt, häufen sich in den sozialen Medien Berichte von Beschäftigten der Gastronomie, des öffentlichen Verkehrswesens und anderer Bereiche über Pöbeleien und Prügelattacken von rechten Provokateuren.
Die rechten Angriffe sind Bestandteil einer anschwellenden internationalen Welle rechtsextremen Terrors, der durch den Rechtsruck des gesamten politischen Establishments ermutigt wird. Der rechte Bodensatz der Gesellschaft wird mobilisiert, um die wachsende Opposition gegen die Öffnungs- und Durchseuchungspolitik einzuschüchtern.
Wie die Augsburger Allgemeine berichtet, drangen gestern 20 Corona-Demonstranten in das Augsburger Landratsamt ein, um die Abschaffung der Maskenpflicht zu fordern, die der Kreis vor dem Hintergrund explodierender Neuinfektionen verhängt hatte. Der Fall weist deutliche Parallelen zu ähnlichen Vorkommnissen in den USA auf, wo mit Sturmgewehren bewaffnete Rechtsextremisten sich im Mai Zugang zum Staatskapitol des Bundesstaates Michigan verschafft hatten.
Profitinteressen
Die politischen Maßnahmen und Erlasse der Bundes- und Landesregierungen bis hin zu den Landkreisen werden, wie überall auf der Welt, von den Profitinteressen der Wirtschaft diktiert. Während unter Arbeitern und Jugendlichen zunehmende Fassungslosigkeit über die Untätigkeit der Regierung herrscht, die sich weigert, Investitionen in die öffentliche Gesundheitsversorgung vorzunehmen, erklären Politiker gebetsmühlenartig, dass ein lebensrettender Shutdown der Industrie und die Schließung der Schulen um jeden Preis verhindert werden müssen.
Dabei kann längst kein Zweifel mehr daran bestehen, dass die Öffnung der Schulen und der Wirtschaft die Hauptursache für das exponentielle Wachstum der Pandemie ist. Führende Virologen und Epidemiologen auf der ganzen Welt haben immer wieder nachgewiesen, dass vor allem beengte und unhygienische Verhältnisse ohne Luftaustausch beste Bedingungen für die Ausbreitung der Pandemie bieten.
Laut RKI-Bericht sind „Ausbrüche“ derzeit insbesondere in „Alten- und Pflegeheimen“, „Krankenhäusern“ sowie „Einrichtungen für Asylbewerber und Geflüchtete, Gemeinschaftseinrichtungen, Kindertagesstätten und Schulen“ zu verzeichnen, ebenso in „verschiedenen beruflichen Settings“ und „im Zusammenhang mit religiösen Veranstaltungen“. Die Wissenschaflter widerlegen damit erneut die Behauptungen von Bundes- und Landespolitikern jeglicher Couleur, wonach Ausbrüche an Schulen und Kitas angeblich nicht stattfinden.
Nachdem Schüler in Griechenland und Polen bereits Schulbesetzungen, Boykott- und Protestaktionen organisiert haben, entwickelt sich auch hierzulande massiver Widerstand gegen den unsicheren Präsenzunterricht. Am Sonntag befand sich das Schlagwort „#Schulboykott“ unter den meistdiskutierten Trend-Begriffen auf Twitter.
Unter Schülern, Lehrern und Eltern wächst die Erkenntnis, dass die Bundes- und Landesregierungen keinen Finger rühren werden, um das Infektionsgeschehen an Schulen und Kitas einzudämmen. Wie das ARD-Magazin Monitor berichtet, wird selbst der Einbau von Luftfilteranlagen von den zuständigen Bildungsministerien als „zu teuer“ abgelehnt, obwohl derartige Anlagen nachgewiesenermaßen geeignet sind, virusbehaftete Aerosole aus der Raumluft zu entfernen.
Die Durchseuchungspolitik der Regierungen in Deutschland, Europa und anderen Ländern, sowie der zunehmende rechte Terror, der damit einhergeht, machen ein weiteres Mal deutlich, dass die Arbeiterklasse vor immensen politischen Aufgaben steht. Während die geöffneten Schulen das Virus unbemerkt unter immer breiteren Bevölkerungsschichten verbreiten, sollen Arbeiter unter unsicheren Bedingungen weiterschuften, um die Profite in die Höhe zu treiben.
Die World Socialist Web Site ruft alle ihre Leser dazu auf, dieser Politik ein Ende zu setzen. Gründet Aktionskomitees in Betrieben, Schulen und öffentlichen Einrichtungen, um für sichere Bildung und einen Generalstreik zur Schließung aller nicht-lebenswichtiger Wirtschaftszweige zu kämpfen. Nehmt noch heute mit uns Kontakt auf.
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